Badische Zeitung – Papierlos leben, geht das?
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Digitale Alternativen machen heutzutage bereits vieles möglich.
247 Kilogramm Papier hat jeder Deutsche im vergangenen Jahr verbraucht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Rechnung des Verbands Deutscher Papierfabriken. Obwohl die Digitalisierung des Alltags mit Computern, Smartphones und E-Readern fortschreitet, sind Papierstapel und Aktenordner noch nicht verschwunden. Und doch scheint Papier im Alltag der Menschen nicht mehr unverzichtbar. Kaum jemand nutzt noch Telefonbücher, Stempelkarten und Überweisungsträger.
Kompletter Verzicht ist aber nicht so einfach: "Es gibt Bereiche, in denen man nur schwer auf Papier verzichten kann", sagt Jürgen Kurz. Er hat den Ratgeber "Für immer aufgeräumt" geschrieben und hält ein papierloses Leben für "reine Theorie". Meistens komme man um das Papier nicht herum. "Etwa bei Verträgen oder Dingen mit emotionalem Wert wie einem Tagebuch. Auch wer mit einem Umfeld zu tun hat, das keine Digitalkompetenz mitbringt, wird kaum papierlos leben können", so der Aufräumexperte.
Dabei lässt sich der Papierverbrauch einfach zurückfahren: Rechnungen für Strom, Telefon und Handy gibt es auch per E-Mail, Kontoauszüge lassen sich online abrufen. Die Steuererklärung akzeptiert das Finanzamt fast ganz ohne Papier. Fast alle großen Fluggesellschaften bieten E-Tickets und elektronische Boardingpässe an, auch elektronische Bahntickets gibt es – als Handytickets, per App oder über den Dienst Touch & Travel, bei dem das Telefon selbst zur Fahrkarte wird.
Papier spart auch, wer elektronische Ausgaben von Büchern und Zeitschriften liest, die viele Verlage günstiger anbieten als die Papiervariante. Laut einer Studie des IT-Verbandes Bitkom liest bereits jeder Fünfte in Deutschland digitale Bücher. E-Reader eignen sich dabei als Papierersatz besser als Tablet oder Smartphone. Sie sind leichter, ihre Bildschirme spiegeln weniger, der Akku hält länger.
Wer sowieso ein Smartphone oder Tablet nutzt, spart durch Papierverzicht Ballast. Möchte man etwa mit verschiedenen Geräten auf einen digitalen Kalender zugreifen und ihn mit der Familie teilen, eignen sich die auf Smartphones vorinstallierten Kalenderprogramme. Auch E-Mail-Anbieter stellen häufig brauchbare Kalender zur Verfügung. Als virtuelle Notizbücher bringen Microsoft OneNote, Springpad oder Evernote hilfreiche Funktionen. Unter den zahlreichen Tools für die Aufgabenverwaltung lohnt sich ein Blick auf kostenlose digitale To-do-Listen wie Wunderlist, Errands oder Any.do. Hier lassen sich Einkaufslisten, Projektaufgaben und Reiseplanungen anlegen und mit anderen teilen.
Das digitale Aufbewahren wichtiger Dokumente ist im Vergleich zum Aktenordner aber etwas komplizierter. "Wer im Privatbereich vom Papier aufs Digitale wechseln möchte, muss sich mit dem Thema Sicherung auseinandersetzen", rät Jürgen Kurz. Das kann zum Beispiel ein wöchentliches Backup sein, mit dem man wichtige Daten und Dokumente sichert, damit sie nicht verloren gehen.
Ein Vorreiter in Sachen papierloses Büro im öffentlichen Bereich ist die Bundesagentur für Arbeit, die in all ihren Agenturen die elektronische Akte (eAkte) eingeführt hat. Doch richtig papierlose Büros sucht man in Deutschland bislang vergebens. "Bei meinen Projekten habe ich in den vergangenen 22 Jahren noch keinen einzigen Schreibtisch ohne Papier gesehen", sagt Mirjana Stanisic-Petrovic, die stellvertretende Leiterin des IAO-Zentrums Dokumenten- und Workflow-Management beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. Dabei ist Papier kostbar. Bis zu 7000 Euro pro Jahr und Arbeitsplatz zahlen Unternehmen für das Suchen, Finden und Ablegen von Papierdokumenten. Doch von einem papierlosen Leben ist man noch weit entfernt. Durch die riesigen Informationsmengen steige allein das Druckvolumen jedes Jahr um 20 Prozent, so die Fraunhofer-Experten.
Jürgen Kurz glaubt aber, dass es langfristig weniger Papier geben wird: "Wenn Volltext- und Bildersuche weiter vorangeschritten sind", sagt er, "wird der Trend noch stärker zum Digitalen gehen."