RP-online – Rettung aus dem Büro-Chaos
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Düsseldorf (RP). Wer einen ordentlichen Schreibtisch hat, arbeitet effektiver. Viele Firmen buchen deshalb Organisationsprofis. Der Büroforscher Jürgen Kurz ist so einer. Er kommt und räumt auf.
Und sie ist doch das halbe Leben: Die Ordnung. Prall mit Zetteln gefüllte Posteingangskisten – das darf nicht sein. Vollgekritzelte Schreibunterlagen auch nicht. Eben so wenig: Post-it-Zettel, die sich wie Blütenblätter einer Sonnenblume um den PC-Bildschirm ranken. Das sagt Büroforscher Jürgen Kurz. Wenn er als Coach in eine Firma bestellt wird, räumen Mitarbeiter am Abend vor der Schulung meist noch mal schnell den Arbeitsplatz auf. Es soll schließlich nicht der Eindruck entstehen, man sei am eigenen Arbeitsplatz unorganisiert.
Und doch sieht Kurz bei seinem ersten Gang durch die Büros, was los ist. Vor dem Mann aus dem schwäbischen Giengen kann man nichts in irgendeiner Schublade verstecken. Er ist allerdings auch nicht einfach irgendein Ordnungsfanatiker. Er ist einer der erfolgreichsten deutschen Organisationsberater. Kurz berät Weltkonzerne wie Daimler, Lufthansa, aber auch Banken oder Steuerberatungskanzleien. Und wenn er über Ordnung spricht, hängen die Chefs an seinen Lippen. Durch Chaos am Arbeitsplatz geht viel Zeit verloren, sagt er. „Im Durchschnitt etwa 40 Prozent. Das ist so, als ob ein Mitarbeiter fast die Hälfte des Tages gar nicht da gewesen wäre.”
Fotos offenbaren das Problem
Deshalb räumt er bei seinen Kunden auf. Als erstes zückt er die Kamera. Jeder Mitarbeiter muss seinen Schreibtisch knipsen. Der Anblick des Fotos offenbart so manchem eine neue Perspektive. Bisher erschien der Schreibtisch des Kollegen chaotisch - aber doch nicht der eigene. „So sieht das bei mir aus?”, sagte einer. Doch wie kann er das Chaos sinnvoll beseitigen, und zwar so, dass es nicht wieder kommt? Kurz rückt mit einer Liste raus. Deren Titel lautet: „Sieben Schritte zum leeren Schreibtisch”. Er nennt das auch: „Vom Volltischler zum Leertischler”. Ein Volltischler ist demnach jemand, der seinen ganzen Schreibtisch vollgepackt hat: Etwa so, dass der freie Platz darauf gerade noch für die Kaffeetasse reicht.
Wer es dagegen schafft, den Schreibtisch dauerhaft leer zu halten, dem prophezeit Kurz, dass er künftig 15 Prozent weniger mit Suchen verbringt und 20 Prozent effektiver arbeitet. Er startet zum Beispiel da, wo das Papier ankommt: im Posteingang. An verschiedenen Stellen des Schreibtisches Papier stapeln, davon hält Kurz nichts. Er sagt: Post gehört ins Eingangskörbchen. Für Dinge, die man später noch lesen möchte, kann zum Beispiel ein eigenes Fach eingerichtet werden, etwa mit dem Titel „Sonstiges”, das allerdings muss von Zeit zu Zeit geleert werden. Und auch abends sollten keine Papierberge auf dem Schreibtisch hinterlassen werden. An jedem Schreibtisch muss daher auch eine große Altpapierbox stehen. Stifte gehören in ein Gefäß auf dem Schreibtisch oder in die oberste Schublade des Rollcontainers, in dem auch Locher, Lineal, Tacker und Co ihren Platz haben.
Weniger ist mehr
Auf dem Schreibtisch selbst sollen immer nur die Unterlagen liegen, die für die aktuelle Arbeit benötigt werden. Von Schreibtischunterlagen aus Papier, die mit Terminen und Telefonnummern bekritzelt werden können, oder Folien rät Kurz eher ab. Sie sind Sammelort für Notizen, Visitenkarten und Zettel. Doch die sind zum Beispiel auf einem Block viel besser aufgehoben. Dessen Zettel kann man später abheften oder wegschmeißen. Am Monitor klebende Post-it-Zettel können in einem eigenen Handverzeichnis abgelegt werden.
Kurz hat unendlich viele dieser Tipps. Eines will er aber auf keinen Fall: dass sie als Anweisung verstanden werden. Er sieht sie als Hilfestellung, Erfahrungswerte. „Immerhin sind es die Schreibtische, Aktenschränke und Besprechungsräume der Mitarbeiter, die umstrukturiert werden sollen”, sagt er. „Wer lässt sich da schon gerne von einem Fremden eine Musterlösung aufdrücken?” Das sei so, als ob man vom Ernährungsberater per se auf Karottendiät gesetzt werde, obwohl man dagegen allergisch ist und Pusteln bekommt.
Kurz gibt auch zu, dass so mancher kreative Chaot ein überraschend effizientes Such- und Findesystem entwickelt habe. In der Arbeitswelt von Großraumbüros und gemeinsam benutzten Arbeitsflächen für Teamarbeit könne das allerdings zu Effizienzverlust, Revierstreitigkeiten oder Frust mit den Ordnungsliebenden führen.