impulse – Mit diesen goldenen Regeln wird Ihr Kundenservice top
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Wer zufriedene Kunden haben will, braucht nicht nur gute Produkte, sondern auch einen Top-Service. So entwickeln Sie herausragende Servicestandards, an die sich Ihre Mitarbeiter sogar freiwillig halten.
Waren Sie schon mal total genervt, nachdem Sie bei einer Service-Hotline angerufen haben? Weil Sie ewig in der Warteschleife hingen, das Telefon zigmal klingelte, ohne dass jemand abnahm? Oder Sie mehrmals weiterverbunden wurden und Ihr Problem am Ende doch nicht zu Ihrer vollen Zufriedenheit gelöst würde? Dann sind Sie nicht alleine.
Gut jeder zweite Deutsche hat bereits schlechte Erfahrungen mit dem Kundenservice eines Unternehmens gemacht. Das ergab vor einiger Zeit eine repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter mehr als 1000 Verbrauchern.
Vor allem lange Wartezeiten oder Wege bis zum richtigen Ansprechpartner sind für viele Kunden ein Ärgernis. Wer sein Anliegen bei jedem Durchstellen neu erklären muss, ist genervt oder sogar sauer. Auch lange Reaktionszeiten bei E-Mails sorgen immer wieder für Irritationen oder Frust.
Wer zufriedene Kunden haben will, muss also nicht nur gute Produkte, sondern auch einen guten Kundenservice bieten. Doch wie sieht ein guter Service aus? Und wie kann man sinnvolle Standards entwickeln, an die sich die Mitarbeiter auch tatsächlich halten? Und was sollten Chefs möglichst regeln?
Keine Dienstanweisung von oben
Sollen sich Mitarbeiter wirklich an Servicestandards halten, sollten Chefs eine wichtige Regel befolgen: den Mitarbeitern nicht einfach von oben Vorgaben überstülpen, beispielsweise per Dienstanweisung. „Eine Vorgabe von oben funktioniert nur über Druck”, sagt Jürgen Kurz, der viele Jahre lang Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen war und seit fast 20 Jahren mit seiner Firma Tempus-Consulting Chefs und deren Mitarbeiter in Sachen Büro-Effizienz und Unternehmensführung berät. „Diesen Druck können Sie aber nicht auf Dauer aufrechterhalten, sonst haben Sie als Chef nichts Anderes mehr zu tun.”
Kurz weiß, wovon er spricht. Er hat schon Tausenden Firmen dabei geholfen, kluge Standards für den Kundenservice zu entwickeln. Vor einigen Monaten etwa beriet er ein Unternehmen mit etwa 600 Mitarbeitern im Hinblick auf Standards fürs Beantworten von E-Mails. Die Firma hatte zwar bereits Spielregeln dafür eingeführt. Doch als er die Mitarbeiter fragte, wer die Regeln denn kenne, war das erschütternde Ergebnis: weniger als zehn Prozent. „Die Frage nach der Einhaltung der Regeln brauchen Sie dann überhaupt nicht mehr stellen”, sagt Kurz.
Der Chef sei wütend geworden und habe gesagt: „Da mache ich jetzt eine Dienstanweisung, das ist doch eine Sauerei!”. Kurz konnte ihn jedoch von einer anderen Herangehensweise überzeugen: die Standards gemeinsam mit den Mitarbeitern zu entwickeln. „Innerhalb von sechs Wochen war der komplette Prozess durch. Und die Spielregeln werden heute extrem gut umgesetzt”, sagt der Unternehmensberater. Das gemeinsame Erarbeiten der Spielregeln habe dazu geführt, dass alle Mitarbeiter das Thema auf dem Schirm hatten. „Und weil sie das Gefühl hatten, dass sie die Regeln an ihre Situation in der jeweiligen Abteilung anpassen konnten, waren die Mitarbeiter auch mit dem Ergebnis zufrieden und tragen es ganz anders mit.”
Mitarbeiter einbeziehen
Aber wie kann man solche Spielregeln gemeinsam mit den Mitarbeitern entwickeln – und sie davon überzeugen, dass sie sich wirklich an die Servicestandards halten? „Man muss Betroffene zu Beteiligten machen”, sagt Kurz. „Und ihnen klarmachen, warum diese Regeln gut sind – und zwar nicht nur für den Kunden, sondern auch für sie selbst.”
Dabei helfe beispielsweise diese Frage, sagt Kurz: „Haben Sie schon mal irgendwo angerufen und das Telefon hat zehnmal geklingelt und keiner ging ran? Wie haben Sie sich gefühlt?” Spätestens dann spüre jeder, dass es keine gute Sache sei, wenn das Telefon lange klingele.
Praktikable Servicestandards entwickeln
Wer Servicestandards vereinbaren will, sollte die einzelnen Aspekte gemeinsam mit den Mitarbeitern durchgehen, empfiehlt Kurz. Und beispielsweise überlegen: Wie schnell können wir ganz realistisch auf E-Mails von Kunden oder Kollegen antworten? Wann sollten Kunden und Kollegen spätestens eine Antwort haben? Was ist, wenn ein Kollege unterwegs ist oder Urlaub hat? „Es bringt nichts, wenn Sie als Chef Regeln vereinbaren, bei denen Mitarbeiter denken: Das klappt sowieso nie!”
Beim Entwickeln von Servicestandards sollte man also auch an interne Abläufe denken. Schließlich kann es beispielsweise sein, dass ein Kollege eine Information braucht, um ein Angebot an den Kunden zu erstellen. „Wenn der eine nicht rechtzeitig antwortet, verletzt der andere zwangsläufig die Spielregeln nach außen”, sagt Kurz. Außerdem sei es auch für die Mitarbeiter selbst gut, wenn sie wüssten, dass sie beispielsweise spätestens innerhalb eines Tages eine Antwort bekommen.
Innerhalb des Unternehmens kann es aber durchaus andere Standards geben. Im Vertrieb sind beispielsweise schnelle Reaktionszeiten wichtig. „In einer Entwicklungsabteilung kann das aber eher kontraproduktiv sein, zum Beispiel, weil die Mitarbeiter dort häufig total vertieft in die Arbeit sind, um bei einem Problem voranzukommen”, sagt Kurz. Deshalb sollten Chefs Servicestandards jeweils mit den einzelnen Abteilungen durchsprechen und ausarbeiten.
Legen Mitarbeiter die Latte nicht zu niedrig, wenn sie die Regeln mitbestimmen können? Selbst wenn dem so sei, stelle dies kein ernsthaftes Problem dar, sagt Kurz. „Dann kann ich als Chef natürlich eine Ansage machen und sagen: ‚Passt mal auf Leute, es muss schon realistisch sein.” Und eine Leitplanke vorgeben.
Über diese Aspekte sollten Chefs und ihre Mitarbeiter diskutieren:
Telefon
– Wie oft sollte das Telefon höchstens klingeln?
– Wann sollten Mitarbeiter ihr Telefon umstellen? Wenn sie nur für ein paar Besprechungen den Arbeitsplatz verlassen? Oder wenn sie komplette Tage weg sind?
– Inwiefern müssen Mitarbeiter ihren Vertreter briefen, damit er nicht auf dem falschen Fuß erwischt wird, wenn ein Kollege oder Kunde anruft?
E-Mails
– Wie schnell beantworten wir E-Mails? Innerhalb von x Stunden? Oder reicht es auch innerhalb eines Tages – oder in manchen Abteilungen sogar innerhalb mehrerer Tage?
– Was ist, wenn wir nicht so schnell eine Antwort liefern können? Wann schicken wir eine Nachricht mit einer Zwischeninfo?
– Wie oft rufen wir E-Mails am Tag ab? „Damit Mitarbeiter konzentriert arbeiten können, ist es besser, E-Mails blockweise zu bearbeiten“, rät Kurz.
– Wann setzen wir Kollegen in CC oder BCC?
– Hier könne man sich beispielsweise folgende Regel geben, sagt Kurz: E-Mails, die To-dos oder Termine enthalten, werden direkt an den Empfänger adressiert. Eine Nachricht, die CC oder BCC verschickt wird, ist nur zur Information.
– Was schreiben wir in die Betreffzeilen von E-Mails?
– Auch hier sind Standards sinnvoll, damit der Leser sofort weiß, worum es geht und er die Mail später auch leichter wiederfindet. Bei Tempus-Consulting gibt es beispielsweise Betreffzeilen nach diesem
Schema: Kundenanfrage XY AG – 1-tägiges Seminar Führung November 2018
Unternehmen sollten außerdem diskutieren, wann eine E-Mail überhaupt das richtige Medium ist. „Konflikte oder Kritik sollten beispielsweise nicht per E-Mail geklärt werden”, empfiehlt Kurz.
Kundenanfragen
Schnelle Reaktionszeiten sind insbesondere bei Kundenanfragen wichtig. Hier sollten Chefs ebenfalls gemeinsam mit den Mitarbeitern Standards erarbeiten, etwa im Hinblick darauf, wie schnell Anfragen bearbeitet werden.
Bei Tempus-Consulting gilt beispielsweise folgende Regel: „Kundenanfragen haben höchste Priorität. Sie sollten so schnell wie möglich bearbeitet werden. Ziel: innerhalb von 24 Stunden. Bei komplexen Anfragen, die nicht so schnell bearbeitet werden können, gilt: Bei Erhalt der Anfrage Kunden eine E-Mail schicken, nach dem Motto: Wir haben Ihre Anfrage erhalten, vielen Dank, wir kümmern uns darum.”
Reklamationen
Auch bei Reklamationen ist es sinnvoll, Standards zu definieren. Denn die Praxis zeigt: Gibt es diese nicht, herrscht bei vielen Kundenberatern Unsicherheit, wie genau sie bei Beschwerden vorgehen sollen und wie weit sie dem Kunden entgegenkommen dürfen. Unternehmen sollten daher überlegen:
– Was heißt es konkret, kulant zu sein?
– Wie informieren wir den Kunden über die weiteren Schritte?
Bei Tempus-Consulting selbst gilt beispielsweise diese Regel:
– Kulant sein heißt, im Zweifel für den Kunden entscheiden.
– Schnell sein heißt, den Eingang der Reklamation bestätigen und sich entschuldigen.
– Den Kunden informieren, wenn die Reklamation abgearbeitet wurde.
– Bei größeren Reklamationen kleinere Aufmerksamkeiten verschicken.
Termine und Zusagen
Für die Kundenzufriedenheit spielt es eine enorme Rolle, dass Termine und Zusagen zuverlässig eingehalten werden. Wer hier top sein will, dem empfiehlt Kurz beispielsweise folgende Formulierung in den Servicestandards: „Die Einhaltung von Terminen und Zusagen ist ein absolutes Muss! Kann ein zugesagter Termin nicht eingehalten werden, muss der Kunde möglichst früh und feinfühlig darüber informiert werden.”
Verena Bast