Freie Presse – Mit Kindern im Homeoffice
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Was so entspannt klingt, kann mit drei Kindern zur Herausforderung werden. Ein Erfahrungsbericht zwischen Angestelltendasein und Hilfslehrer.
Um ehrlich zu sein: Begeistert war ich nicht. Von daheim arbeiten, das habe ich nie gemocht. Doch seit über vier Wochen bleibt mir keine Wahl. Ich bin Teil des Großexperiments „Homeoffice in der Coronakrise”. Am 17. März habe ich im heimischen Wohnzimmer meine Büronische bezogen. Tisch an die Wand, Stuhl davor, Computer drauf, fertig. Einen anderen Raum, in den ich mich zurückziehen könnte, gibt es in unserer Mietwohnung nicht.
Homeoffice. Wie entspannt das klingt. Nach lichtdurchflutetem Wintergarten, frisch gebrühtem Kaffee, dem sanften Surren des Notebooklüfters. Die Realität ist geräuschvoller, und alle paar Minuten zupft mich jemand am Arm. Meist mein Jüngster, der eine Armlänge von mir entfernt auf dem Sofa hockt und Lego-Prospekte durchblättert. „Den wünsche ich mir zum Geburtstag“, sagt er und zeigt auf einen giftgrünen Ninjago-Helden. Ich nicke, bitte ihn, eine Weile in seinem Zimmer zu spielen und wende mich wieder dem Bildschirm zu. Keine Reaktion.„Mir is‘ langweilig”, mault er. Auch in der anderen Ecke des Wohnzimmers herrscht Krisenstimmung. Meine achtjährige Tochter grübelt über einer Kombinatorik-Aufgabe. Erklärungsversuche unterbricht sie mit einem unwirschen „Ich versteh‘ das nicht!” und wirft ihren Stift weg. Was für ein Segen, dass zumindest ihre ältere Schwester geduldig über ihren Arbeitsblättern sitzt.
Trotz des Spagats zwischen Hilfslehrer- und Angestelltendasein bin ich dankbar, überhaupt arbeiten zu können. Andere Berufsgruppen hätten dieses Homeoffice-Privileg auch gern. Meine Frau etwa verlässt nach wie vor jeden Tag das Haus. Sie arbeitet in einem Kinderheim, ist also systemrelevant. Dagegen kann ich meine Tätigkeit, ohne größere Reibungsverluste, ins Netz verlagern. Werkzeuge und Ressourcen, die ich für meinen Job brauche, befinden sich auf meinem Rechner oder in Datenwolken.
„Nie war es sinnvoller und notwendiger, sich digital zu organisieren, als jetzt”, schreibt der Effizienz-Coach Jürgen Kurz in seinem kürzlich erschienenen E-Book „So geht Homeoffice heute”. Tatsächlich zeigt die Pandemie, wie schnell sich die Arbeitswelt umkrempeln lässt, wenn Präsenzpflichten wegfallen. Egal, ob Videokonferenz mit Zoom, verteiltes Arbeiten mit Slack oder Fernzugriff per VPN-Tunnel: Wir installieren, konfigurieren und stellen dabei fest, dass vieles gar nicht so schwierig ist wie gedacht. Sorgen wegen Datenschutzmängeln wischen die meisten beiseite. Was uns noch stoppen könnte, ist allenfalls lahmes Internet. Oder fehlendes.
Improvisieren ist das Gebot der Stunde. Das gilt auch für die Organisation des Arbeitstages. Meiner wird bisweilen arg zerstückelt. Neulich beschlich mich das Gefühl, ich müsse erst Wäsche aufhängen, den Geschirrspüler einräumen oder mit meinem Jüngsten im Hof Fußball bolzen, um das familiäre Chaos abzuwenden. Später reute mich diese Verschieberitis, und ich arbeitete am Abend umso länger. Schließlich möchte ich das Vertrauen meines Arbeitgebers rechtfertigen.
Was ich relativ sicher sagen kann, ist: Seit Mitte März habe ich eher mehr gearbeitet als zu wenig. Freunde, die in anderen Branchen ihr Geld verdienen, kommen zum gleichen Fazit. Ich tröste mich damit, dass ich auch Zeit geschenkt kriege. Weil der Weg in die Innenstadt und zurück wegfällt, gewinne ich jeden Tag eine knappe Stunde.
Trotzdem merke ich, wie ich immer wieder an meine Grenzen stoße. Als ich das einem meiner Vorgesetzten schrieb, antwortete der: „Wir haben uns vorgenommen, jetzt nicht gleichzeitig perfekte Eltern, perfekte Heimarbeiter und auch noch perfekte Lehrer sein zu wollen.” Diesen Satz habe ich mir gedanklich eingerahmt.
Nun sehne ich das Ende des Homeoffice-Experiments herbei. Der Soziologe Philipp Staab sagte vergangene Woche in einem Spiegel-Interview, die meisten Angestellten würden froh sein, wenn sie wieder in ihre Büros dürfen. Stimmt schon: Auch feste Arbeitszeiten, nicht-virtuelle Meetings und Small Talk auf dem Büroflur haben ihren Charme. Jetzt ist zumindest der Beweis erbracht, dass Homeoffice nicht nur für eine Minderheit funktionieren kann. Ich für meinen Teil würde mir gern die Freiheit erhalten, in der Post-Corona-Ära bei Bedarf von zu Hause aus zu arbeiten. Wenn im Herbst alle drei Kinder in der Schule sind, muss die Ruhe in der Wohnung himmlisch sein.
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