Immer mehr Unternehmen nutzen die Methode Kanban, um nicht nur ihre Software- und Webentwicklung, sondern auch den Arbeitsalltag bedarfsgerecht zu organisieren. Aber was bedeutet Kanban eigentlich? Und warum verbreitet es sich so schnell? In diesem Artikel verraten wir Ihnen alles, was Sie über die bewährte Methode wissen müssen. Mehr noch: Sie erfahren, wie Sie das System für Ihre Fertigungsketten oder das Projektmanagement in Ihrem Unternehmen einsetzen und damit Zeit und Geld sparen können.
Inhaltsverzeichnis
1. Definition: Was ist Kanban?
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Definition des Begriffs: Kanban ist ein Begriff aus dem Japanischen und wird ins Deutsche mit „Tafel“, „Beleg“ oder „Karte“ übersetzt, manchmal wird auch der Begriff „Behälter“ als Übersetzung genutzt. Es handelt sich um eine Arbeitsmethode, die nicht nur Materialverschwendung vorbeugt. Sie erlaubt außerdem ein weitgehend eigenständiges Arbeiten der Mitarbeiter, die sich ihre Aufgaben von sogenannten „Kanban-Karten“ holen, ohne dass eine weitere Person zwischengeschaltet werden muss.
Kanban steuert den Materialbestand und bildet als Workflow einen in sich geschlossenen Kreis. Auf eine Produktionslinie übertragen bedeutet dies die Arbeit mit sogenannten Kanban-Karten. Anfangs wird festgelegt, wie viel Material von einem bestimmten Lieferanten stets vorrätig sein sollte. Diese Menge wird auf einer Kanban-Karte festgehalten. Wird von dem Material nun so viel verbraucht, dass die vorrätige Menge unter den angegebenen Wert fällt, wird die Karte zurück an den Lieferanten gegeben, der selbstständig dafür sorgt, dass der Materialbestand aufgefüllt wird.
Dieser Prozess lässt sich auch auf das Projektmanagement übertragen, bei dem die einzelnen Karten für zu erledigende Aufgaben stehen. Auch hier können sich die an dem Projekt Arbeitenden selbstständig eine neue Kanban-Karte heraussuchen, die sie bearbeiten möchten und können.
2. Herkunft der Kanban Methode
Zurück geht die Erarbeitung auf den Erfinder des Toyota-Produktionsprinzipes, Taiichi Ohno. Er hat sich an dem bereits bestehenden „Pull“, bzw. „Hol“-Prinzip des Steuerungsverfahrens orientierte und aus den Grundprinzipien 1947 ein neues Verfahren entwickelt. Angeregt wurde die Kanban Methode von der Beobachtung des Workflows in einem Supermarkt. Nimmt ein Kunde eine Ware aus dem Regal, wird genau diese Ware dort wieder ersetzt. So bleibt das Sortiment stets in sich stabil und es wird nur das aufgefüllt, was wirklich benötigt wird.
3. Vorteile und Nutzen der Kanban Methode
Wer die Kanban Methode nutzt wird schnell merken, dass die Umsetzung einige Vorteile mit sich bringt und man die Kanban-Karten nicht missen möchte:
- Selbstregulierendes System: Kanban hat den großen Vorteil, dass es ein sich selbst regulierendes System ist. Nachdem es einmal überdacht wurde, braucht es nicht mehr geändert werden, sondern läuft von ganz alleine. Des Weiteren wird Materialverschwendung effektiv vorgebeugt, denn es wird immer nur das tatsächlich benötigte Material nachproduziert. Der Regelkreis dazu sieht wie folgt aus, wobei ein Schritt automatisch den nächsten einleitet:
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- Die Kanban-Karte (in digitaler oder physischer Form)
- Produktion von Material
- Auffüllung des Lagerbestandes
- Stets gleichbleibender Lagerbestand, aus dem entnommen werden kann
- Zeit- und Kosteneinsparung: Schritt 4 führt, wenn der Bestand leer ist, wieder automatisch zu Schritt 1 und der Kanban-Kreislauf beginnt von Neuem anzulaufen. Ein großer Vorteil des Systems: Es beugt langen Wartezeiten für Lieferungen vor. Somit spart die Kanban Methode nicht nur Kosten, sondern auch Zeit. Und sie ist flexibel: Bei kurzfristigen Änderungen kann der Bedarf schnell und unkompliziert angepasst werden.
- Mitarbeitermotivation: Ein zusätzlicher Nebeneffekt ist die Motivation der Mitarbeiter, die durch das Kanban-System selbstständiger arbeiten können. Sie brauchen für die Materialbestellung keine gesonderte Genehmigung, denn die „Genehmigung“ liegt in Form der Kanban-Karte bereits vor. Sie müssen nicht auf Entscheidungen durch Vorgesetze warten und fühlen sich durch die autonome Arbeit besser wertgeschätzt. Auch ist der Vorgang transparent und für jeden leicht zu durchblicken. Das liegt daran, dass durch das System jeder den gleichen Überblick über die Produktion hat.
- Schneller Aufgabenabwicklung: Ein weiterer Vorteil, der sowohl durch die Transparenz als auch durch die autonome Möglichkeit der Arbeitsgestaltung entsteht, ist, dass Aufgaben schneller erledigt werden. Durch den leicht zu verschaffenden Überblick erscheinen die „Aufgabenberge“ nicht mehr als unüberblickbare Menge, die man gerne mal vor sich herschiebt.
- Integration in den Arbeitsalltag: Kanban lässt sich außerdem gut auf die tägliche Arbeitsroutine übertragen. Durch Kanban-Karten entsteht eine ganz persönliche To-Do-Liste für jeden Arbeitnehmer, die den Tag besser strukturiert. Dabei hat jede Kanban-Karte eine klare Aufgabe, die leicht schaffbar ist. Und wenn die Aufgabe am Ende des Tages erfüllt ist, geht der Mitarbeiter mit einem zufriedenen Gefühl nach Hause – das motiviert bereits für den nächsten Arbeitstag.
4. Funktionsweise, Grundprinzipien und Regeln des Kanban-Systems
Wie geht man aber nun vor, wenn man im eigenen Betrieb mit dem System von Kanban arbeiten möchte? Wir verraten es Ihnen: In einem ersten Schritt bestimmt ein Kanban-Koordinator in enger Zusammenarbeit mit allen betroffenen Mitarbeitern die Anzahl der benötigten Karten und die darauf vermerkte Bestandsmenge. Dabei sollte der Koordinator darauf achten, dass es nicht zu viele Karten werden. Denn die können schnell für Verwirrung sorgen. Tipp: Lieber mit wenigen Karten beginnen, bis sich eine Routine eingestellt hat.
Sind die Kanban-Karten erstellt, bekommt der Lieferant diese Karten ausgehändigt. Darauf ist vermerkt, wie viel Material derzeit noch vorhanden ist. Der Lieferant produziert dann so viel nach, bis die Bestandsmenge erreicht ist und schickt das Material mitsamt der Kanban-Karte in die Produktionsstätte zurück. Dort verbleibt die Karte so lange, bis der Materialbestand auf einen Wert unter dem auf der Karte angegebenen fällt. Sobald dies eintritt, wird die Kanban-Karte an den Lieferanten geschickt, der mit der Nachproduktion beginnt. So startet der Regelkreis wieder von vorne.
Wird Kanban auf ein Projektmanagement übertragen und bezieht sich nicht auf die Fertigung und das Vorhandensein bestimmten Materials, wird ebenfalls mit Kanban-Karten gearbeitet. Ein Tool, das als Kanban Tool funktioniert, ist beispielsweise Trello. Bei einer Übertragung auf das Projektmanagement wird das Board, auf dem die Kanban-Karten verschoben werden, in drei Sektionen aufgeteilt. Die noch unerledigten Kanban-Karten kommen in die linke Spalte, die meist mit „To-Do“ betitelt wird. Beginnt ein Mitarbeiter oder ein Team an einer der Aufgaben zu arbeiten, wird die entsprechende Karte in den mittleren Abschnitt des Boards verschoben. Dieser wird mit dem Titel „in progress“ oder mit „in Arbeit“ bezeichnet. Dort verbleibt die Karte so lange, bis die Aufgabe abgeschlossen ist. Erst dann wird die Kanban-Karte in den rechten Bereich verschoben, der den Titel „Done“ oder „Erledigt“ trägt.
Im Grunde muss an dieser Stelle in „Kanban für Fertigungsketten“ und „Kanban für Projektmanagement“ unterschieden werden, denn die Arbeitsweisen unterscheiden sich voneinander, auch wenn beide Workflows mit „Kanban“ betitelt werden und mit Kanban-Karten arbeiten. Kanban-Karten können sowohl physisch auf einem großen Board genutzt als auch in digitaler Form verwendet werden. Welches Vorgehen für das betroffene Unternehmen das richtige ist, ist individuell und lässt sich nicht pauschal sagen.
5. Prinzipien und Regeln der Kanban-Methode
Das Kanban-Prinzip stützt sich auf sechs Prinzipien, die bei der Umsetzung beachtet werden sollten, will man einen optimalen Erfolg erzielen. Wir stellen sie Ihnen nachfolgend übersichtlich vor.
- Klare Regeln: Die Regeln müssen leicht verständlich und transparent sein. Kanban ist nur umsetzbar, wenn jeder Mitarbeiter die Regeln versteht und befolgen kann.
- Aufgabenlimit: Es dürfen nicht zu viele Karten im Umlauf sein, um eine Überforderung zu vermeiden.
- Workflow: Es muss gewährleistet sein, dass jeder gleichermaßen mit den Karten arbeitet. Für das Projektmanagement bedeutet dies, dass immer Karten in der mittleren Sektion, also im Arbeitsprozess befindlich sind. Für die Produktion bedeutet dies, dass die Kanban-Karten immer sofort an den Lieferanten gesandt werden, wenn der Materialbestand unter den angegebenen Wert sinkt.
- Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP): Der Kanban-Prozess sollte überwacht und immer wieder überprüft werden. Gegebenenfalls kann der Prozess auch noch einmal überarbeitet werden.
- Leadership: Alle Mitarbeiter sind angehalten, sich selbst als verantwortlich für den Workflow zu betrachten.
- Modelle: Durch die Verwendung von Modellen zur Erklärung bekommen die Mitarbeiter einen besseren Überblick.
Aus diesen sechs Prinzipien werden Regeln für die Produktionskette abgeleitet, die in der Umsetzung unverzichtbar sind:
- Material darf stets nur mit der Kanban-Karte und nur in der darauf angegebenen Menge angefordert werden. Auch darf nicht vorzeitig Material angefordert werden, da es sonst zu einem Lagerstau kommt.
- Lieferanten sollten nicht auf Vorrat Material produzieren.
- Die Lieferungen müssen stets eine einwandfreie Qualität haben, da durch die minimierten Lagerbestände sonst Wartezeiten auf neue Lieferungen entstehen.
6. Für wen ist Kanban geeignet?
In der Fertigungskette eignet sich die Kanban-Methode im Grunde für jedes Unternehmen. Die Voraussetzungen sind ein entsprechender Koordinator und der Wille der Mitarbeiter, sich mit dem System auseinanderzusetzen. Als Tool für Projektmanagement eignet sich Kanban in erster Linie für kleinere Teams. Wird das Team zu groß, ist die Gefahr der Unübersichtlichkeit gegeben und die Anzahl der Karten wird verwirrend. Dadurch könnte der positive Effekt der Transparenz und der Übersichtlichkeit leicht verloren gehen. Hier eignen sich besser weiterführende Methoden wie beispielsweise die Scrum-Methode.