Berliner Zeitung – Nie mehr Durcheinander
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Interview: Michael Sudahl
Schreibtischchaoten arbeiten nicht effektiv – ein Gespräch mit Aufräumcoach Jürgen Kurz
Büromenschen verschwenden einer Studie des Fraunhofer-Instituts zufolge im Schnitt fast ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit dem Suchen nach Dokumenten und schlecht abgestimmten Arbeitsprozessen. 70 Arbeitstage sind das pro Jahr. Der Experte für Effizienz im Büro, Jürgen Kurz, kennt jedoch Methoden, mit denen man dauerhaft Ordnung schafft und seine Arbeitseffektivität damit steigert. Das freut dann auch den Chef.
Herr Kurz, Zettelhaufen, Aktenberge, schlicht ein heilloses Durcheinander -was muss ich tun, um das Chaos auf meinem Schreibtisch anzugehen?
Zunächst müssen wir die Schreibtischplatte leer bekommen. Der älteste Grundsatz im Zeitmanagement heißt: Leertischler sind effektiver als Volltischler.
Fliegt also alles in den Mülleimer -oder schaufle ich es einfach auf einen anderen Tisch?
Die Idee mit dem Mülleimer ist gut. Dort gehören Dinge hin, die veraltet sind. Aber ich bin nicht dafür, alles wegzuwerfen. Für die Sachen, die Sie dauerhaft benötigen, müssen dagegen Ablagesysteme geschaffen werden. Die Frage ist jedoch: Muss wirklich alles auf dem Schreibtisch liegen? Und Sie müssen verhindern, dass der Schreibtisch wieder vollgehäuft wird.
Wie reagieren Mitarbeiter, wenn Sie im Auftrag des Chefs an ihrem Arbeitsplatz Ordnung schaffen sollen?
Oft treffe ich zunächst auf Skepsis und Unwillen. Aber wenn die Menschen verstanden haben, wie ich arbeite, sind sie schnell überzeugt. Wer wünscht sich nicht weniger Verschwendung, kürzere Suchzeiten und einen schnelleren Durchlauf von Routineprozessen?
Wo setzen Sie dabei konkret an?
Zunächst fotografiere ich Arbeitsplätze, vollgestopfte Schränke und überquellende Sammelecken. Denn das erste Ziel sind Ordnung und Sauberkeit. Wenn die Menschen ihren Arbeitsplatz auf den Bildern sehen, sind sie nicht selten erschrocken, wie er durch das Kameraobjektiv wirkt. Dann geht es ans Ausmisten. Anschließend definiere ich gemeinsam mit den Mitarbeitern ein Ordnungssystem, in dem sie sich zurechtfinden. Ziel ist eine Prozessoptimierung, die alle im Betrieb kennen und verstehen: Jeder, der an einen Arbeitsplatz kommt, muss sofort losarbeiten können. Auf Checklisten definieren wir deshalb Spielregeln, die sichtbar aushängen. Um die Arbeitsabläufe effektiver zu gestalten, analysiere ich in einem nächsten Schritt, wo das Unternehmen steht. Für einzelne Firmenbereiche vergebe ich Schulnoten und gebe Tipps, wie sie von einer drei auf eine zwei klettern können.
Wozu soll das gut sein?
Es ist wie in einem Operationssaal. Der ist sauber und rein, die Instrumente liegen an ihrem Platz. Doch um operieren zu können, muss man die Abläufe vor, während und nach dem Eingriff optimieren. Saubere OP-Tische – beziehungsweise Büroschreibtische -sind kein Selbstzweck. Für Unternehmen ist es wichtig, dass alle Abteilungen ineinander greifen: Ein Produkt zu verkaufen allein reicht nicht, man muss es auch ausliefern, Rechnungen schreiben und Löhne bezahlen. Das sollte reibungslos funktionieren.
Führt der Weg also vom sauberen Schreibtisch zur neuen Unternehmenskultur?
Wie gesagt, wer seinen Schreibtisch leer hat, arbeitet effektiver. Dazu gehören auch Absprachen: Wie geht der Betrieb mit E-Mails und Telefonaten um? Welche überflüssigen Arbeiten können gestrichen werden? Letztlich geht es bei solchen Optimierungsprozessen auch um Persönlichkeitsentwicklung. Dazu gehört eine totale Transparenz, bei der auch der Chef mitmachen muss. Hinzu kommen Bausteine wie Weiterbildungsmaßnahmen, das Schaffen einer angstfreien Fehlerkultur und ein funktionierendes Vorschlagswesen. All das kann das Klima in einer Firma tatsächlich verändern.