managerSeminare – Aufgeräumt arbeiten

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Papierstapel, Klebezettel, vollgerümpelte Ablagekäste – die Büros vieler Manager sehen wild aus. Und viele sind auf ihr kreatives Chaos sogar stolz. Doch das ist ein Fehler, warnen Berater. Denn die Unordnung auf dem eigenen Schreibtisch führt oft zu schludriger Arbeit im gesamten Unternehmen. Abhilfe verspricht Office-Kaizen. managerSeminare mit einem Einblick in diesen Ansatz.



Preview:

  • Tohuwabohu in den Büros: Wie Schreibtische zu Kramläden werden
  • Teures Chaos: Was die Unordnung jährlich kostet
  • Papier für Papier auf dem Prüfstand: Wie externe Helfer für Ordnung sorgen
  • Der Schuh muss passen: Mit welchen Überlegungen jeder Manager das richtige Ordnungssystem für sich findet
  • Office-Kaizen: So wird der saubere Schreibtisch zum Ausgangspunkt für Prozessoptimierung und Effizienz im Büro
  • Nachhaltigkeit tut Not: Wie sich Routinen etablieren lassen



Lange Jahre war es gut gegangen. Mal schulterzuckend, mal überzeugt mal fahrig hatte Denis Giesing (Name von der Reaktion geändert) seine Stapelordnung gepflegt. Wichtige Post rechts auf den Schreibtisch, interessante Fachartikel links, aktuelle Projekte irgendwo dazwischen. Musste er eine Präsentation vorbereiten, schob der stellvertretende Marketingleiter eines sächsischen Softwareunternehmens die Stapel ein wenig zur Seite, breitete einen Schwung Papier um sich herum aus und macht sich an die Arbeit. Suchte er die Auftragsbestätigung eines Geschäftspartners, wusste er meist genau, in welchem Papierstoß er zu suchen hatte.
Doch dann kam jene Dienstreise vor einigen Wochen, während der er aufgeregt von seiner Sekretärin angerufen wurde: „Chef, der Kollege sucht Ihre Ausarbeitung für den Vortrag morgen auf unserem Marketingkongress.“ Giesing durchfuhr es heiß und kalt - wo hatte er den Vortrag bloß hingelegt? In welchem Ordner auf dem Firmenserver nur gespeichert? Das Tohuwabohu, das sich aus Denis Giesings Stapel-Chaos damals ergab, wird er nie vergessen. Giesing schwor sich: Ich schaffe endlich Ordnung. Für mich und meine Mitarbeiter.

Chaosfeld Schreibtisch: Nur noch Platz für die Kaffeetasse

Giesing ist kein Einzelfall, die Bürowildnis Schreibtisch wuchert überall. Papierstapel, Mappen mit der Aufschrift „Eilt!“, gelbe Klebezettel mit Telefonnummern, Terminpläne und To-do-Listen ringen um Aufmerksamkeit. DVDs, USB-Sticks, Werbegeschenke und Krimskrams des Alltags rutschen ineinander. Trotz digitaler Arbeitsplätze, Outlook, Mail und Laptop kämpfen viele Büroarbeiter gegen Unordnung – auf dem realen wie auf dem virtuellen Schreibtisch. Und viele von ihnen kommen von alleine nicht dagegen an. Weil sie es nicht für nötig halten. Oder weil sie schlichtweg nicht wissen, wie.

Abhilfe versprechen professionelle Aufräum-Berater. Das Geschäft mit der systematische Entrümpelung boomt. In den USA gibt es mehr als 4.000 Sortierhelfer, hierzulande sind es einige Hundert. Einer von ihnen ist Jürgen Kurz. Der schwäbische Organisationsberater und Geschäftsführer der Firma Tempus verhilft seit mehr als zehn Jahren einzelnen Personen, Abteilungen und ganzen Unternehmen zu mehr Effizienz. Er weiß, weshalb viele Büroarbeiter ihrer Lage nicht mehr Herr werden. Zu der eigenen Neigung zur Unordnung kommen die Geschwindigkeit und Vielfalt der Aufgaben hinzu, die in kurzer Zeit erledigt werden müssen: „Wer zwanzig bis dreißig Projekte gleichzeitig auf den Tisch bekommt und fünfzig angeblich wichtige Mails am Tag beantworten muss, hat es schwer, die Übersicht zu bewahren.“

Die selbst verordnete Lösung heißt oft: sammeln. Gestresst landen Unterlagen, Anfragen und Projektinformationen auf dem Schreibtisch. Und so kommt es mitunter zu einem Durcheinander infernalischer Ausmaße. Wie bei jene, Investment-Profi, auf dessen Arbeitsplatz sich vergilbte Dokumente, Prospekte und Zeitschriften hoch bis zur Schreibtischlampe türmten. Hilflos wandte sich der Finanzmann an Kurz. Auf seinem Schreibtisch war gerade noch Platz für eine Kaffeetasse. Aufräum-Profi Kurz ist überzeugt: Die Rede vom kreativen Chaos ist Humbug. „Selbst wenn das Genie das Chaos beherrscht – das nützt nichts, wenn das Genie weg ist und in einer Organisation andere mit dem zurechtkommen müssen, was es hinterlassen hat.“

Ein Übermaß an Unordnung kostet die Betroffenen nicht nur Nerven, sondern auch das Unternehmen Geld. Und zwar richtig viel. Darauf weist eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart in Kooperation mit dem Kaizen-Institut in Bad Homburg hin. Die Forscher haben 170 Unternehmen befragt, achtzig Prozent davon aus der produzierenden Industrie. Ergebnis: Mehr als zehn Prozent ihrer täglichen Arbeitszeit suchen die Beschäftigten nach Arbeitsmaterialien, fehlenden Dokumenten und Informationen. Sie verplempern Zeit mit Warten und mit dem Stöbern nach Dateien in unübersichtlichen Datenbanken.



Der Weg zum aufgeräumten Büro

Schritt für Schritt Ordnung schaffen – Organisationsprofi Jürgen Kurz verrät sein System:

Ist-Zustand checken
Wo hakt es im Büro? Wie groß ist die Unordnung? Die beste Schocktherapie sind Fotos zum Status quo: Schreibtisch, Regale, Schränke, aber auch Fensterbänke, Zimmerecken und unter dem Schreibtisch fotografieren.

Aussortieren
Mit dem Schreibtisch starten, danach sind Schubladen, Rollcontainer, Regale und Schränke daran. Alles wegwerfen, das nicht mehr benötigt wird. Dabei von links nach recht vorgehen. Hilfreich ist das Wegwerden auf Probe: Unterlagen in Kartons ablegen und diese mit durchlaufen nummerierten Zetteln beschriften: „Wenn dieser Karton bis zum Tag x nicht geöffnet wird, kann er blind entsorgt werden.“ Was aktuell nicht gebraucht wird, aber aufgehoben werden muss, wandert ins Archiv.

Den Dingen eine Heimat geben
Jetzt liegen nur noch dinge auf Schreibtisch und Regal, die gebraucht werden. Sie brauchen einen klar strukturierten Ort, an dem sie abgelegt und schnell wiedergefunden werden:

  • 1. Das Lesen-Fach: Für Unterlagen, die man noch lesen möchte, ein Fach in Schrank oder Regal anlegen. Dort setzt die Höhe des Zwischenbodens ein Limit für die Stapelhöhe. Ist das Fach voll, die untersten 10 Zentimeter wegwerfen.
  • 2. Eigene Aufgaben: Vorgänge mit kurzer Verweildauer in nummerierten Ordnerboxen, Hängemappen oder Pultordnern sortieren. Entscheidend: Inhaltsverzeichnis anlegen und Bearbeitungstermine festlegen. Längerfristige Projekte in größere Hängeordner sortieren. Akten sollten in Reichweite liegen, aber nie direkt auf dem Schreibtisch. Maßgabe: Jeder Vorgang muss in maximal einer Minute zu finden sein.
  • 3. Gemeinsame Projekte: Gemeinsam bearbeitete Akten brauchen einen gemeinsamen Platz und eine für alle transparente Organisation. Voraussetzung: Eine Struktur, die zu den Anforderungen des Teams passt. Im Team Anforderungen, Abläufe und Bedürfnisse diskutieren und passende Ablagerichtlinien erarbeiten, analog für die gemeinsame EDV.
  • 4. Info-Zettel: Finder weg von Post-its und an die Wand gepappten Listen. Sie machen das Chaos nur schlimmer und lenken ab. Besser: Sichtbücher mit Klarsichthüllen. Dort hat man alles auf einen Blick und weiß, wo sich neue Kontakte oder Infos ablegen lassen. Ein DIN-A4-Block ist gut für Telefonnotizen, so lassen sie sich schnell abheften. Gut: ein Stehpult zum Telefonieren. Dann kann während des Telefonats alles liegen bleiben, danach lässt sich sofort konzentriert weiterarbeiten.
  • 5. Büroutensilien: Stifte, Locher, Tacker gehören nicht auf den Schreibtisch. Sie brauchen einen festen Platz in Griffnähe – in der Schublade oder auf dem Rollcontainer. Radikal Stifte ausmisten. Wenige Schreiber auf dem Tisch reichen. Gemeinsam mit der Abteilung Orte zur Aufbewahrung von Produktmustern und Flipchartblättern bestimmen.
  • 6. Post: Posteingangsschale einrichten, mit eigenem Namen und Funktion beschriften. Mindestens einmal pro Tag sichten, jedes Papier nur einmal anfassen. Unwichtiges in den Papierkorb werfen; was sich in fünf Minuten erledigen lässt, sofort tun; den Rest terminieren und in die Zwischenablage ablegen. Elektronische Post in Ordnern strukturieren, maximal zweimal pro Tag bearbeiten und dafür Zeiten festlegen.
  • 7. Termin- und Aufgabenorganisation: Eine effiziente Büroorganisation sollte mit effektivem Zeitmanagement verknüpft sein. To-do-Listen verschaffen einen guten Überblick. Sinnvoll: am Vorabend den nächsten Arbeitstag planen. Zeitbedarf schätzen, Limits setzen. Zur Sicherheit die Schätzung mit 1,5 multiplizieren und einen Puffer von etwas 40 bis 50 Prozent lassen. Den Tag positiv beenden und den Schreibtisch aufgeräumt verlassen.



Routinen etablieren und Nachhaltigkeit schaffen – so geht’s

Aufräumprofi Jürgen Kurz kann das bestätigen. Auch er hat sich dem Kaizen-Gedanken verschrieben, auch er will, anfangen beim Aufräumen, insgesamt für Prozessoptimierung und mehr Effizienz in den Büros sorgen – und zwar für dauerhafte. Um bei seinen Kunden Routinen zu entwickeln, begleitet er sie daher über einen längeren Zeitraum.

Zum Auftakt geht er in die Firma und erläutert die Theorie: ein Sieben-Schritte-Programm zum aufgeräumte, gut strukturierten Arbeitsplatz, das auf jeder Stufe wie ein Buffet ein reiches Angebot mit Tipps zu einer besseren Büroorganisation enthält (vgl. Kasten). Jeder kann sich das Passende heraussuchen, aus einem Strauß von Vorschlägen zur Projekt- und Terminverwaltung bis zur Anlage von Telefonlisten, Abrechnungsbüchern oder wohldurchdachter Schubladenhygiene. „Wir schreiben nichts vor, sondern finden mit den Mitarbeitern individuelle Lösungen, die sie anschließend zwei Monate lang erproben sollen“, sagt Kurz.

Das Geheimnis eines leeren Tisches sind Erinnerungsbänder

Nur das eine ist für ihn Gesetz: Der Schreibtisch muss möglichst leer sein. Das Kunden-Argument „Aber wenn die Sachen weggeräumt sind und ich sie nicht sehe, vergesse ich sie“, lässt er nicht gelten: „Dass die Aufgaben sichtbar sind, macht meine Arbeit nicht übersichtlicher und strukturierte. Im Gegenteil. Denn wenn ich eine Hülle herausziehe, stolpere ich zufällig über eine andere, die auch wichtig zu sein scheint, und schon verrenne ich mich erst recht im Bearbeitungswirrwarr.“ Da hilft nur: wegsortieren und „unsichtbare Erinnerungsbänder“ schaffen, also eine Systematik, die einen an Wichtiges erinnert, auch wenn die Dokumente in der Schublade oder im Hängeregister geparkt sind.

Hat das Unternehmen sein neues Ordnungssystem zwei Monate lang ausprobiert, kommt das Organisationsteam von Jürgen Kurz und checkt: Was hat geklappt, woran hakt es, was können wir verbessern? Vor allem aber erarbeitet Kurz mit Führungskräften und Mitarbeitern verbindliche Spielregeln für die Arbeitsabläufe im Alltag. Wie schnell müssen etwa Mails bearbeitet sein, wie verlassen wir abends unsere Schreibtische, was tun wir, wenn eine Arbeit nach Feierabend noch nicht fertig ist? Weitere vier Monate später kommt eine dritte Runde: Jetzt geht es um Arbeitstechniken und Zeitmanagement. Am Ende steht, verspricht Kurz, nicht nur der aufgeräumte Schreibtisch, sondern auch die aufgeräumte Abteilung – und damit 20 Prozent Effizienzsteigerung. Kurz: „Der aufgeräumte Schreibtisch ist schließlich kein Selbstzweck.“


Anja Dilk

Service

Literaturtipps

  • Jürgen Kurz: Für immer aufgeräumt. Zwanzig Prozent mehr Effizienz im Büro. Gabal, 5. Aufl., Offenbach 2010, 19,90 Euro.
    Ein sehr strukturierter, äußerst praktischer Ratgeber und eine detaillierte Anleitung, wie sich – ausgehen vom Kaizen-Gedanken – vom Chaos zur dauerhafter Ordnung finden lässt. Mit Selbsttest zu Beginn der Ausführungen. As Buch ist nicht nur sehr gehaltvoll, sondern mit amüsanten Illustrationen und verblüffenden Vorher-nachher-Fotos auch anschaulich gut zu lesen.

Linktipp



„Selbst wenn das Genie das Chaos beherrscht – das nützt nichts, wenn das Genie weg ist und andere mit seinem Chaos zurechtkommen müssen.“
Jürgen Kurz, Geschäftsführer der Tempus GmbH, Giengen.
Kontakt: j.kurz@tempus.de