n-tv – Handlungshilfen für Schreibtischchaoten
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Clean Desk statt kreatives Chaos: Der Aufräum- und Sortier-Hype macht auch vor dem Arbeitsplatz nicht Halt. Wie viel Ordnung muss sein? Mit diesen Ansätzen bleibt der Tisch auf Dauer übersichtlich.
Kleine Kästchen unterteilen große Schubladen, die Kleidung ist zu kleinen Päckchen gefaltet und penibel nach Farben sortiert: Wo es so aussieht, lebt ein Fan von Aufräum-Königin Marie Kondo. Einer der zentralen Punkte beim Ausmisten nach ihrer „KonMari-Methode” ist die Frage: „Does it spark joy?” Was keine Freude weckt, kann weg. Mit ihrem Buch „Joy at work”, das sie 2020 gemeinsam mit dem Organisationspsychologen Scott Sonenshein verfasst hat, ist ihr Prinzip nun auch am Arbeitsplatz angekommen.
Ebenso wie zu Hause empfiehlt Kondo den Schreibtisch auszumisten, indem man sich zuerst Büchern, dann Unterlagen und zuletzt „komono” (Kleinkram/Verschiedenes) widmet. Zum Abschluss kommt man auf emotional aufgeladene Gegenstände zurück.
Unterlagen etwa mistet Kondo nach einer Grundregel aus: „Alles aussortieren.” Was dann noch übrig bleibt, wird bis zum letzten Blatt in Kategorien eingeteilt und idealerweise hochkant in einem Hängeregister oder in Mappen aufbewahrt. Unerledigtes, das für den jeweiligen Arbeitstag relevant ist, bekommt ein eigenes Fach.
Das Besteckschubladen-Prinzip
Effizienzexperte Jürgen Kurz ist der Meinung, dass diese Methode im privaten Bereich, zum Beispiel bei Kleidung, gut funktioniert. Am Arbeitsplatz sei es allerdings nicht so einfach zu entscheiden, was wirklich Freude bringt, so der Buchautor („Für immer aufgeräumt”).
Der Experte verfolgt einen eigenen Aufräum-Ansatz. „Jeder hat Bereiche, die aufgeräumt sind – und zwar für immer”, erklärt Kurz der die Grundlagen seines Ordnungsprinzips. Das beste Beispiel sei wohl die Besteckschublade in der Küche: Durch den unterteilten Einsatz haben alle Teile ihren Platz und werden immer wieder dorthin zurückgelegt.
„Und dann gibt es die andere Schublade”, so Kurz. Schneebesen, Gummibänder und Kochlöffel fliegen darin durcheinander. Um das zu verhindern, rät Kurz: „Geben Sie allen Dingen eine Heimat, dann kann nichts herumliegen.”
Überträgt man das auf den Schreibtisch stellt sich die Frage: Was braucht hier eigentlich alles eine Heimat? Für Kurz hat jeder Arbeitsplatz sieben Bereiche.
– Für den Posteingang kann man eine Ablage auf den Schreibtisch stellen. So landet alles Eingehende in der Ablage und nicht überall verteilt.
– Wichtige Infos wie Telefonlisten, die Kostenstellen-Übersicht oder den Dienstplan bewahrt man Kurz zufolge am besten in einem Foliensichtbuch oder einem
Schnellhefter auf.
– Für laufende Projekte rät Kurz zu einer Art Wiedervorlage-Mappe mit 31 Fächern. So lässt sich die Mappe mit dem Kalender verknüpfen: Alle Dokumente und Infos
zu einem Projekt werden gebündelt am Fälligkeitsdatum einsortiert.
– Projekte im Team können genauso gehandhabt werden. Auf die Projektmappe können alle beteiligten Kolleginnen und Kollegen gleichzeitig zugreifen.
– Informationsmaterial wie Zeitschriften, die man mal lesen möchte, kommen auf einen Stapel. Ab einer bestimmten Stapelhöhe sollte man die untersten zehn einfach
wegwerfen.
– Büromaterial wie Stifte, Locher oder Post-its sollten einen festen Platz bekommen, entweder in einer unterteilten Schublade oder in einem Kästchen auf dem
Schreibtisch.
– Die To-do-Liste oder der Kalender darf sichtbar auf dem Schreibtisch liegen.
Aber hat man überhaupt etwas davon, wenn der Schreibtisch blitzblank aussieht? „Dieser Spruch „Das Genie beherrscht das Chaos”, das stimmt einfach nicht”, ist sich Ghita Giede, Coach für Organisation und Aufräumen, sicher. Das Aufräumen und Organisieren sei zwar erst einmal viel Arbeit und erfordere täglich Disziplin.
Letzen Endes erspare es aber Zeit, weil das Suchen wegfällt. „Bis zu 90 Minuten am Tag verlieren die Leute damit, Sachen zu suchen oder hin- und herzuschieben”, mahnt Giede. Die Folge: Alle ärgern sich – die Führungskraft, die Kollegen und man selber auch. Dennoch habe Ordnung häufig keinen besonders hohen Stellenwert, viele andere Dinge erscheinen oft wichtiger.
Radikaler Aufräumansatz: Die „Leertischler”
Giede empfiehlt jedem, zum sogenannten „Leertischler” zu werden. Auf dem Schreibtisch finden sich dann nur die wichtigsten Dinge wie Maus, Tastatur, Telefon, Stift und ein Zettel. Zum Sortieren empfiehlt sie vier Kartons: In einen kommen Dinge, die man verschenken möchte, in einen die Sachen, die man aufheben möchte, in den dritten Dinge, bei denen man noch unsicher ist und in den vierten alles, was entsorgt werden soll.
Ebenfalls wichtig: Die Ordnung am Computer. Giede empfiehlt viele Ordner. Sie selbst sortiere einfach alphabetisch: unter A finde sich alles, was mit A beginnt. Die verschiedenen Themen mit A wiederum haben jeweils einen Unterordner, die ebenfalls alphabetisch geordnet sind.
Herr der Lage – und des Postfachs
Damit das Mailpostfach nicht ständig überquillt, hat Kurz einen Vorschlag: Das bloße Checken von Mails mache keinen Sinn. Er erklärt: „Es gibt nur fünf Dinge, die mit Mails zu tun sind.” Löschen, Weiterleiten, Archivieren, direkt erledigen oder terminieren. Kurz empfiehlt, die ersten vier Punkte immer direkt zu erledigen. „Alles, was nicht länger als fünf Minuten dauert, sollte man sofort machen.” Mails, deren Erledigung länger brauchen, wandern mit auf die To-do-Liste.
„Wenn alles auf der Liste steht, nimmt das Stress, denn Menschen fühlen sich wohl, wenn sie Herr der Lage sind”, sagt Kurz. Dazu kann auch ein aufgeräumter Schreibtisch beitragen. Kurz appelliert, auch mal fünfe gerade sein zu lassen und die Veränderung zum Guten zu sehen. Zwar strebten Menschen immer nach Perfektion und 99 Prozent seien eben nicht perfekt. Aber: „Wenn Sie ein totaler Chaot sind, ist ein halb freier Schreibtisch eine Verbesserung.”
ntv.de, Elena Zelle, dpa