Stuttgarter Zeitung – Ordnung auf dem Tisch
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Laut einer Studie der Fraunhofer-Gesellschaft verschwenden Büromenschen im Schnitt fast ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit Suchen nach Dokumenten und schlecht abgestimmten Prozessen
Stuttgart – Laut einer Studie der Fraunhofer-Gesellschaft verschwenden Büromenschen im Schnitt fast ein Drittel ihrer Arbeitszeit. Die Ursachen sind das Suchen nach Dokumenten, schlecht abgestimmte Prozesse gefolgt von sonstiger Unproduktivität. Der Experte für Effizienz im Büro, Jürgen Kurz, gibt im Gespräch mit unserer Zeitung Tipps, damit man dauerhaft Ordnung schafft.
Frage: Herr Kurz, was muss ich tun, um das Chaos auf meinem Schreibtisch anzugehen?
Herr Kurz: Zunächst müssen wir die Schreibtischplatte leer bekommen. Der älteste Grundsatz im Zeitmanagement heißt: Leertischler sind effektiver als Volltischler – und deswegen widmen Sie den ersten Schritt immer der Schreibtischplatte.
Frage: Fliegt dann alles in der Mülleimer oder schaufle ich es einfach auf einen anderen Tisch?
Herr Kurz: Die Idee mit dem Mülleimer ist gut. Hier gehören die Dinge hin, die veraltet sind. Für die Sachen, die Sie dauerhaft benötigen, müssen Ablagesysteme geschaffen werden. Ich bin nicht dafür, alles wegzuwerfen. Die Frage ist: muss alles auf dem Schreibtisch liegen? Auch das Wegwerfen auf Probe empfehle ich gerne. Packen Sie Dinge, von denen Sie sich nur schwer trennen können, in eine Kiste und stellen Sie die in den Keller. Dann müssen Sie verhindern, dass der Schreibtisch wieder vollgehäuft wird.
Frage: Wie reagieren Mitarbeiter, wenn Sie im Auftrag des Chefs Ordnung schaffen?
Herr Kurz: Oft treffe ich auf Skepsis und Unwillen. Aber, wenn die Menschen verstanden haben, wie ich arbeite, sind sie überzeugt. Wer wünscht sich nicht weniger Verschwendung, kürzere Suchzeiten und einen schnelleren Durchlauf von Routineprozessen?
Frage: Wo setzen Sie konkret an?
Herr Kurz: Der erste Schritt ist Ordnung und Sauberkeit. Ich fotografiere Arbeitsplätze, vollgestopfte Schränke, geheimnisvolle Sammelecken. Die gruseligsten Bilder habe ich in meiner „Hall of Shame” abgelegt. Wenn die Menschen ihren Arbeitsplatz auf den Fotos sehen, sind sie erschrocken, wie das Ganze durch das distanzierte Kameraobjektiv wirkt. Dann geht es ans Ausmisten. Schließlich definiere ich gemeinsam mit den Mitarbeitern ein Ordnungssystem, in dem sie sich zurechtfinden. Ziel ist eine Prozessoptimierung, die alle kennen und verstehen. Jeder, der an einen Platz kommt, muss sofort losarbeiten können. Auf Checklisten definieren wir Spielregeln, die sichtbar aushängen. Schließlich geht es an den Arbeitsablauf. Hierzu analysieren wir, wo das Unternehmen steht. Wir geben Schulnoten für einzelne Firmenbereiche und Tipps, um etwa von einer Drei auf eine Zwei zu klettern.
Frage: Wozu soll das gut sein?
Herr Kurz: Es ist wie in einem Operationssaal. Der ist sauber und rein, Instrumente liegen an ihrem Platz. Doch um operieren zu können, muss man Prozesse vor, während und nach der OP optimieren. Saubere OP-Tische beziehungsweise Schreibtische sind ja kein Selbstzweck. Für Unternehmen ist es wichtig, dass alle Abteilungen ineinandergreifen.
Frage: Vom sauberen Schreibtisch zur neuen Unternehmenskultur?
Herr Kurz: Wie gesagt, wer den Schreibtisch leer hat, arbeitet effektiver. Dazu gehören auch Absprachen: Wie gehen wir mit E-Mails und Telefonaten um? Welche überflüssigen Arbeiten können wir streichen? Und schließlich geht es um Persönlichkeitsentwicklung. Dazu gehört eine totale Transparenz, bei der auch der Chef mitmachen muss. Hinzu kommen Bausteine wie Weiterbildungsmaßnahmen, das Schaffen einer angstfreien Fehlerkultur und ein funktionierendes Vorschlagswesen.