STZW – Gegen das Daten-Chaos
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Büro. Viel Arbeitszeit verwenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem Suchen von Dokumenten, nicht nur in Schubladen und Schränken, sondern auch auf den Laufwerken. Software kann Abhilfe schaffen.
Ordnung am Arbeitsplatz bedeutet mehr als ein aufgeräumter Schreibtisch. Stichwort Büro-Kaizen. Firmen adaptieren Prozess-Know-how aus den Werkshallen in die Büroflure. Dabei nutzen sie Werkzeuge wie Shop-Floor-Management und Software, die das Ablagechaos auf den Servern aufräumt. Nebenbei ändert sich die Kultur.
„Graue Lager wird es im Büro der Zukunft keine mehr geben”, sagt Jürgen Kurz. Der Mann muss es wissen. Kurz ist Deutschlands Büro-Cleaner Nummer eins. Er hat Bücher wie „Für immer aufgeräumt” geschrieben und gibt auf Youtube Tipps zur Ordnung am Arbeitsplatz. Seit Kurzem spricht der 51-Jährige von einem neuen Trend: „Büro-Kaizen”. Kaizen ist Japanisch und bedeutet so viel wie Veränderung zum Besseren. Toyota wendet die Methode des stetigen Optimierens im Autobau an und hat sie weltweit bekannt gemacht.
Ein Element daraus ist das Leeren grauer Lager. In Werkshallen gammeln dort kaputte Werkzeuge oder halb volle Kaffeebechervor sich hin. In Büros quellen aus Schubladen Uraltformulare oder gar Schimmelbrote. Gemein haben diese Depots am Arbeitsplatz, dass sie den Eigentümer suchen lassen. 70 Tage Arbeitszeit frisst das graue Chaos pro Jahr, haben Fraunhofer-Forscher errechnet.
Dabei suchen Büroarbeiter längst nicht nur in Schubladen und hinter Schränken. „Die größte Unordnung herrscht in vielen Firmen auf Laufwerken”, sagt Johannes Woithon. Denn vielen Büroarbeitern graut es vor neuen Programmen und Anwendungen. „Schon wieder eine neue Software”, tönt es dann.
TRANSPARENZ IN DER ELEKTRONISCHEN ABLAGE
Datenmüll, nennt der Gründer von orgavision die Gebirge an Dokumenten und Programmen, die in Gigabyte-Größe auf Servern lagern. Vieles, was gespeichert werde, sei veraltet oder unvollständig, so der Softwareexperte. Auch er beziffert das Fahndenauf mindestens 1,5 Stunden pro Mitarbeiter und Woche. Dass damit bald Schluss sein soll, glauben beide Fachmänner.
Denn es gibt Abhilfe. Management-Software lässt Daten-Chaos nicht mehr zu. Statt vieler Versionen einer Excel-Liste oder eines Word-Dokuments erstellen die Programme Historien, wie sie von Wikipedia bekannt sind. Zudem regen Kommentarfunktionen zur Diskussion an, was wiederum Ideen produziert. Damit kommt die kontinuierliche Verbesserung in Gang, Kaizen lässt grüßen. Und statt aufwendiger Abstimmungsschleifen via E-Mail erhalten Autoren Lesebestätigungen – was wiederum die Flut an elektronischer Post eindämmt. Beim Schreiber und beim Empfänger.
Selbst die Isonormierer haben erkannt, welches Potenzial in einer strukturierten, elektronischen Dokumentenablage schlummert. In der jüngst überarbeiteten Norm 9001 weisen sie explizit darauf hin: Mehr Transparenz und nachvollziehbare Wege im Dokumentenmanagement seien Pflicht für alle 50.000 Firmen in Deutschland, die das Siegel haben und weiterhin wollen. Darüber hinaus sieht Experte Kurz einen weiteren Trend aus Industriehallen ins Büro schwappen. „Shop Floor Management” sagen dazu die einen, „greifbare Kommunikation” die anderen. Im Kern steckt dahinter Sichtbarmachen durch Visualisieren. Schautafeln in Bürofluren und einfache, nachvollziehbare Kennzahlen können Maßnahmen sein.
Es geht darum, Mitarbeitern komplexe Prozessketten aus Lieferanten, Kunden und internen Prozessen zu entwirren und für den Einzelnen verständlich zu übersetzen. Kurz verdeutlicht: „Statt Diktat von oben sollen Kollegen im Team eigenständig entscheiden, wie sie etwa mit Reklamationen umgehen.” Das Management gibt Leitplanken vor, ergänzt Woithon. Also beispielsweise die Beschwerdequote pro Jahr um drei Prozent zu senken. „Den Weg und die Meilensteine dorthin sollen Kollegen überlegen und festzurren”, erklärt der Berliner Berater. Dazu gehöre es dann auch, Reklamationen und deren Erledigung festzuhalten. Am besten dokumentiert in einer Management-Software, für alle Mitarbeiter lesbar und nachvollziehbar.
KOMMUNIKATION UND FEHLERKULTUR
Ändern sich mit der Zeit Abläufe, Ansprechpartner oder Konditionen, gilt es dies wiederum zu kommunizieren. Hier greift diese Art der Software, weil sie beispielsweise daran erinnert, Kunden vier Wochen nach Erledigung der Beschwerde anzurufen, um zu hören, ob sie zufrieden sind.
Kurz sieht hierin wiederum einen Kaizen-Prozess: „Beschwert sich ein Kunde, ist das immer auch eine Chance”, verdeutlicht der Bestsellerautor. Allerdings nur, wenn Firmen eine Fehlerkultur leben. Das bedeute, dass Fehler nicht verurteilt und Verursacher nicht beschämt würden. Nur so hätten Mitarbeiter das Vertrauen, Missstände anzusprechen. Herrsche in Firmen hingegen eine Kultur des Vertuschens, können schmerzhafte Schäden entstehen. Wie der Diesel-Skandal beweist.
Autor: Jens Gieseler