Sunny7 - Chaos oder Unordnung
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Zettelberge und wildes Durcheinander oder penibel geordnete Unterlagen und Stifte in Reih und Glied – wie sehr beeinflussen Ordnung und Chaos unsere Arbeitsleistung? Kann der Chef uns zur Ordnung anhalten oder gar vorschreiben, wie unser Schreibtisch aussieht? Sunny 7 ist diesen Fragen auf den Grund gegangen.
„Nur kleine Geister halten Ordnung, Genies überblicken das Chaos“, so hat es Albert Einstein einst ausgedrückt und diese Theorie findet viele Anhänger, darunter wohl vor allem die, die sich selber zu den Chaoten zählen: gestapelte Unterlagen, Notizzettel, wild umherfliegende Post Its, die Kaffeetassen der letzten fünf Tage, die Bröseln vom Pausenbrot, Stifte, Locher und Schere – so sieht der prototypische chaotische Schreibtisch aus.
Während sich viele fragen, , wie man an so einem Ort arbeiten kann, schwören andere darauf, dass sie genau das brauchen. „Das Bedürfnis nach Ordnung ist sehr individuell. Was für eine Person wie pures Chaos wirkt kann für eine andere Person absolut ‚in Ordnung’ sein. Wichtig ist, dass der Überblick nicht verloren geht und man weiß, wo welche Informationen, Unterlagen, etc. zu finden sind“, meint Hildegard Weinke von der Arbeitskammer Wien. Eric Abrahamson, Professor der New Yorker Columbia Universität und Autor des Buches „Das perfekte Chaos“ geht einen Schritt weiter, er meint ein ordentlicher Schreibtisch sei zwar gut für das Image – zu viel Ordnung würde aber blockieren.
Ordnung = Effizienz
Ganz anderer Meinung ist Jürgen Kurz, Geschäftsführer der Beratungsfirma tempus in Baden-Württemberg und Veranstalter von Seminaren zur effizienten Büroarbeit: „Leertischler sind effizienter als Volltischler: egal ob beim Kochen, bei Backen, beim Heimwerken oder eben beim Arbeiten: Wenn der Tisch frei ist und nur die Dinge darauf sind, die man wirklich braucht, geht die Arbeit schneller.“ Und die Wissenschaft gibt Kurz Recht: Laut einer Studie des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung werden rund zehn Prozent der Arbeitszeit durch überflüssige oder fehlende Arbeitsmaterialien und das ständige Suchen nach Dokumenten verschwendet. In schlecht organisierten Büros mache das sogar ein Drittel der Jahresarbeitszeit aus. Ein aufgeräumter Schreibtisch und geordnete Unterlagen hingegen, wirken entspannend und geben Sicherheit: „Man weiß, wo man was findet, die Ordnung vereinfacht das Leben und beugt Stress vor. Gerade in hektischen Zeiten wie den unseren ist das wichtig“, so Kurz.
Die goldene Mitte
Was jetzt – Ordnung oder Chaos werden Sie sich vielleicht fragen. Es gibt Anhänger beider Theorien und die Wahrheit liegt wie so oft, meisten irgendwo in der Mitte. Neue Erkenntnisse von Psychologen haben gezeigt, dass jeder Mensch dann am effektivsten arbeitet, wenn er sein individuelles Chaos-Level findet. Für einige ist es undenkbar in Papierstapeln nach Unterlagen zu wühlen, während sich andere an einem komplett leeren, sterilen Schreibtisch nicht konzentrieren können. Auch Jürgen Kurz ist sicher: „Jeder Büroarbeiter muss sich wohlfühlen, sterile Arbeitsplätze sind sicher nicht der Idealzustand.“ Auch Hildegard Weinke von der Arbeiterkammer meint: „Je mehr die Arbeitnehmer/innen einbezogen werden, desto mehr Motivation bringen sie mit“. Eine Studie der britischen Universität Exeter belegt das: Wenn Mitarbeiter ihren Arbeitsbereich selbst gestalten und individuelle einrichten können, steigt ihre Leistung um ganze 32 Prozent. „Auf die Dosis kommt es an“, warnt Kurz „wenn sich Mitarbeiter von plätschernden Zimmerbrunnen gestört fühlen, auf Pflanzen allergisch reagieren oder die 30. Zeichnung der kleinen Tochter das Büro wie einen Kindergarten wirken lässt, dann ist die Grenze der Individualität erreicht.“ In vielen Betrieben beschränkt sich die Gestaltungsfreiheit überhaupt auf den Inhalt des Rollcontainers – oft heißt es von Seiten der Chefs: „Aufräumen bitte!“ und „Was macht denn das Grünzeug hier?“
Was hat der Chef zu sagen?
„Grundsätzlich steht es den Arbeitnehmern/innen frei, wie sie ihren Arbeitsplatz gestalten. Die persönliche Gestaltung des Arbeitsplatzes darf aber selbstverständlich die Sicherheit und Gesundheit nicht gefährden und die Arbeitsleitung darf darunter nicht leiden“, erklärt Weinke. Ob der Vorgesetzte Sie zum Aufräumen anhalten kann oder Ihnen verbieten darf, persönliche Gegenstände an Ihrem Arbeitsplatz zu deponieren, hängt also in erster Linie davon ab, ob hinter seiner Weisung berechtigte betriebliche Interessen stehen. Wenn Sie am Empfang eines Unternehmens sitzen und täglich Kunden und Geschäftspartner ein- und ausgehen, würde ein chaotischer, unordentlicher Schreibtisch durchaus stören. Hier ist die Kritik vom Chef also angebracht. Ob man Gummipalme, Poster und Familienfotos am Schreibtisch aufstellen darf ist ebenfalls vom Chef abhängig. ER kann es verbieten, wenn er dadurch den Betriebsfrieden, Arbeitsabläufe oder das Miteinander in Gefahr oder beeinträchtigt sieht. Regeln dazu können in der Betriebs- oder Hausordnung oder auch im Arbeitsvertrag festgehalten sein. Generell gilt: Wer ein Einzelbüro und keinen direkten Kundenkontakt hat, hat bessere Chancen auf die individuelle Gestaltung.
Zum Schluss haben wir noch ein paar Tipps für Sie, egal ob Ordnungsliebende oder Chaotin, so fühlen Sie sich auf Ihrem Arbeitsplatz wohler.
- „Machen Sie mal ein Foto von Ihrem Arbeitsplatz, so wird Ihnen klar, wie Besucher, Kunden oder der Chef ihren Schreibtisch sehen“, rät Jürgen Kurz. Erschrocken? Dann wird es Zeit zum Aufräumen.
- Machen Sie eine Sache nach der anderen und lassen Sie immer nur die Sachen am Tisch liegen, die Sie gerade brauchen – so hat das Chaos keine Chance.
- Falls Sie sich selbst zu den Chaoten zählen, die etwas Unordnung brauche, um arbeiten zu können, ihre Position oder ihr Chef das Chaos am Schreibtisch aber nicht tolerieren, dann sorgen sie doch für versteckte Chaos-Bereiche: Eine Krimskrams-Schublade im Rollcontainer kann Ihnen zum Beispiel keiner verbieten und auch wenn Sie etwas Chaos am Tisch brauchten, so lange Sie am Abend klar Schiff machen und die Unordnung nicht Überhand nimmt, wird sich kaum jemand beschweren.
Doris Oberleiter