unternehmensjurist – Vom Absichern und Angeben
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E-Mails sind inzwischen eines der wichtigsten Kommunikationsmittel im Wirtschaftsleben. Doch irgendetwas ist in den vergangenen Jahren schiefgegangen. Die Flut an sogenannten Carbon Copys (CC) und die Neigung, auch die kleinsten Dinge damit zu regeln, haben die elektronische Nachricht in Verruf gebracht. Viele Unternehmen arbeiten deshalb an Alternativen.
Eine wahre E-Mail-Flut überschwemmt auch bei Armin Behringer in schöner Regelmäßigkeit den elektronischen Briefkasten. Der Leiter der Rechtsabteilung bei der Rudolf Wild GmbH & Co. KG in Eppelheim bei Heidelberg hat den Eindruck, dass die Anzahl der elektronischen Nachrichten in den vergangenen Jahren immer stärker zugenommen hat. Das liegt seiner Meinung nach nicht nur daran, dass sich die E-Mail zur Standardkommunikationsform entwickelt und damit den Austausch von Papierdokumenten nahezu vollständig abgelöst hat. Parallel habe sich auch eine gewisse Absicherungsmentalität breitgemacht, die für eine exponentielle Zunahme sorgt. „Zwar ermöglicht die E-Mail einen raschen Austausch von Gedanken und Dokumenten, sie führt jedoch häufig dazu, dass auch Personen in die Kommunikation einbezogen werden, die bestenfalls am Rande mit dem Vorgang zu tun haben“, kritisiert Behringer. „Hier gilt es, ein Gespür dafür zu entwickeln, was wichtig ist und deshalb auch tatsächlich zur Kenntnis genommen werden muss.“ Immer mehr Menschen klagen darüber, dass sie einen Großteil ihrer Arbeitszeit damit verbringen, E-Mails zu checken und zu beantworten. Und beinahe jeder kennt das Kommunikationsdesaster, bei dem die elektronischen Nachrichten fast schon im Minutentakt hin und her geschickt werden. Meist geht es nur um Lappalien, die aber zig Menschen beschäftigen, weil ihre Adresse – freiwillig oder unfreiwillig – im CC-Feld steht. Das hat die E-Mail inzwischen bei vielen in Misskredit gebracht.
Der Umgang mit E-Mails ist von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich. Doch kaum ein Konzern hat bis jetzt so einen so drastischen Schritt wie der IT-Konzern Atos SE, Das Unternehmen mit rund 75.000 Mitarbeitern hat das Ende des E-Mail-Zeitalters eingeläutet – zumindest für die interne Kommunikation. „Das Volumen wurde zu groß, um Aufgaben sinnvoll zu erledigen“, sagt Alexandra Knupe, Vice President Marketing und Communications bei Atos Deutschland. Tatsächlich weisen Studien darauf hin, dass Manager zum Teil zwischen fünf bis 20 Stunden pro Woche damit verbringen, E-Mails zu lesen und zu schreiben. Gleichzeitig erachten sie jedoch nur rund 30 Prozent davon als hilfreich für ihre Arbeit. Diese Diskrepanz wollte man bei Atos nicht mehr hinnehmen. Einer Arbeitsgruppe wurde eingesetzt und die Strategie „Zero-E-Mail“ entwickelt.
Kern ist ein Enterprise Social Network mit dem klingenden Namen „blueKiwi“. Das Netzwerk funktioniert wie ein Facebook für Unternehmen. Hier können Gruppen eingerichtet, Diskussionen gestartet, Ideen geteilt und bewertet werden. Aus dem Netzwerk können dann weitere Kanäle angesteuert werden, ein Dokumentenmanagement-System etwas, ein Chat-Programm und ein Programm zum Telefonieren. Tatsächlich sind die Kanäle, über die kommuniziert wird, durch das Zero-E-Mail-Programm nicht weniger geworden. „Unser Ziel ist, dass Mitarbeiter für jede Aufgabe das passende Werkzeug zur Hand haben und nicht immer automatisch eine neue interne E-Mail verfassen“, sagt Knupe. Auch die Mitarbeiter der Rechtabteilung von Atos sind über blueKiwi organisiert. Hierzu dienen insbesondere die Communitys zu Themenkomplexen wie Gesellschaftsrecht, Compliance oder Legal Operations. Dort tauschen sie sich mit ihren Fachkollegen weltweit aus. Über das Netzwerk finden sich auch Informations- und Literaturquellen. Und gleichzeitig können fachliche Fragen an Kollegen auf der ganzen Welt eingestellt und diskutiert werden.
Fünf Schritte aus dem E-Mail-Chaos
Schritt 1: Spam sollten Sie sofort löschen.
Schritt 2: Was Sie nicht betrifft, sollten Sie mit einer Arbeitsanweisung weiterleiten – oder gleich löschen.
Schritt 3: Was für die Akten notwendig ist, aber sonst nicht bearbeitet werden muss, sollten Sie gleich archivieren.
Schritt 4: Was Sie innerhalb von zwei Minuten erledigen können, sollten Sie sofort erledigen.
Schritt 5: Was Sie nicht in zwei Minuten erledigen können, sollte Sie terminieren. Dies kann gleich aus dem E-Mail-Programm heraus erfolgen.
Quelle: Jürgen Kurz, Tempus GmbH, Autor des Buches „Für immer aufgeräumt – auch digital“
Enterprise Social Networks sind inzwischen auch in Europa
Die ersten Erfahrungen seien sehr positiv, heißt es bei Atos. Die interne Vernetzung und der Austausch zwischen den Kollegen – gerade auf globaler Ebene – sei noch intensiver geworden. „Man erhält in einem Posting übersichtlich alle Reaktionen zu einer Frage oder einer Agenda und muss nicht mehrere E-Mails nachverfolgen und abgleichen, ob der Verteiler komplett war“, sagt Knupe.
In den USA haben sich Enterprise Social Networks, wie sie bei Atos genutzt werden, längst als Kommunikationskanal etabliert. Am weitersten verbreitet sind dort die Programme Yammer und Jive. Während beim ersteren vor allem die aktuelle Kommunikation im Vordergrund steht, geht es bei letzterem eher um projektorientiertes Arbeiten. Beiden ist aber gemeinsam, dass sie die Funktionen, die Mitarbeiter aus ihren privaten Netzwerken kennen, auf das Berufsleben übertragen. Ob sich Enterprise Social Networks auch in Deutschland durchsetzen werden, insbesondere in den Rechtsabteilungen, bleibt abzuwarten. Soweit es sich um Cloud-Dienste handelt, noch dazu Cloud-Dienste aus den USA, scheint hier Skepsis angebracht. So ist bei den Stichpunkten Datensicherheit und Datenschutz Vorsicht geboten. Und nicht jeder sieht die Notwendigkeit, sich schon vollständig von der E-Mail zu lösen. Denn es gibt noch genügend Möglichkeiten, diese Form der Kommunikation zu verbessern.
„Die E-Mail ist nur das Medium“, sagt Jürgen Kurz, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Tempus GmbH und Autor des Buches „Für immer aufgeräumt – auch digital“. Ob man 100 E-Mails empfange oder 100 Nachrichten aus dem sozialen Netzwerk, dies mache keinen Unterschied. „Selbst ein Zettel im Postfach funktioniert nach derselben Logik. Ich erhalte eine Nachricht und muss jetzt reagieren.“ Kurz ist deshalb der Auffassung, dass der richtige Umgang mit der E-Mail auch eine Kulturfrage sei. Ein schönes Beispiel ist das CC. Es habe zwei Funktionen, meint der Berater. Zum einen diene es der Absicherung. Wer den Chef von jede seiner Schritte in Kenntnis setzt, kann zumindest sagen, der Vorgesetzte sei immer informier gewesen, falls mal etwas schiefgeht. Die zweite Funktion ist die Selbstvermarktung. Mit dem CC soll deutlich gemacht werden, dass hier jemand aktiv ist. Wer also einen Ansatz gegen die E-Mail Flut sucht, muss sowohl für das richtige Kommunikationsklima sorgen als auch Ängste von Fehlern nehmen. Zudem muss er klare Regeln für die Kommunikation definieren. Gerade beim CC sieht Kurz schon Fortschritte. Hier hätten sich inzwischen Standards herausgebildet. Für den in Kopie gesetzten Adressaten bedeutete das vielfach, dass er diese Nachricht lesen kann, wenn er Zeit hat, sie aber nicht lesen muss. Außerdem muss der Empfänger nicht befürchten, dass auf Seite drei der E-Mail dann doch noch die entscheidende Arbeitsanweisung kommt.
Die überbordende E-Mail-Kommunikation muss priorisiert und strukturiert werden
Doch wichtig ist auch der eigene Umgang mit den E-Mails. Sie sind heute eine Art To-Do-Liste, die immer wieder neu aufgefrischt wird. Wer die elektronischen Nachrichten nur sichte und nicht bearbeite, der werde das schlechte Gefühl nicht los, dass er beim Gedanken an seinen E-Mail-Account bekomme, meint Kurz. Deshalb muss man in der Lage sein, Prioritäten zu setzen, denn nicht jede E-Mail ist gleich wichtig. Schon lange ist es möglich, diese Prioritäten auch in den gängigen E-Mail-Programmen wie Outlook zu verankern. Der Schlüssel hierzu sind Ordnerstrukturen und Filter (siehe Kasten). Das Unternehmen TravelScout 24 hat hiermit sehr gute Erfahrungen gemacht. „Jeder Mitarbeiter hat klar unterteilte Postfachstrukturen“, erklärt Mark Schumacher, Vice President von Travel Scout 24. Es gibt Verteiler-, Newsletter- und CC-Ordner, denen die E-Mails automatisch zugeteilt werden. Nur Mail, die als „An“ die Adresse des Mitarbeiters haben, landen in dessen Hauptposteingang. Das CC-Postfach ist in der Hierarchie direkt darunter angeordnet. Gleichzeitig gibt es Verteiler-Postfächer, die von mehreren Mitarbeitern bearbeitet werden. Hier werden Markierungen wie „unbearbeitet“, „in Arbeit“ und „erledigt“ benutzt. Die Struktur entschlackt den Hauptposteingang deutlich und gibt dem Mitarbeiter eine Richtschnur, welche E-Mails er zuerst bearbeiten soll.
Ordnerstrukturen erleichtert zwar das Leben, doch die Zahl der E-Mails sinkt dadurch nicht. Annick Fuchs, Director Legal für Deutschland, Österreich und die Schweiz beim Bezahldienst PayPal, und ihr Team arbeiten deshalb nach dem Grundsatz: „Think before you write“ – erst denken, dann schreiben. Für die tägliche Arbeit bedeutet dies, dass so wenig wie mo2glich per E-Mail kommuniziert und stattdessen leider der persönliche Kontakt gewählt wird. Die fünf Juristen der Rechtsabteilung sitzen gemeinsam im Großraum. So fällt es deutlich leichter, einen Kollegen am Platz aufzusuchen und eine Frage im persönlichen Gespräch zu klären. „Alles in allem würde ich sagen, dass die Kollegen bei uns dem 1:1-Gespräch ganz klar den Vorzug vor einer Reply-to-all-Mail geben“, sagt Fuchs. Zu dieser Strategie gehört auch das 15-minütige Stand-up-Meeting am Morgen, in dem das Team bespricht, welche Themen, Projekte und Aufgaben anstehen. So ist jeder stets auf dem Laufenden.
Gleichzeitig gibt es bei PayPal auch moderne digitale Systeme, etwa für den Austausch von Dokumenten mit sensiblen Daten innerhalb der Abteilung. Wenn es um nicht-sensible Informationen geht, arbeitet die Rechtsabteilung mit Tools wie Wunderlist, Trello oder Yammer. Letzteres wird allerdings eher für den Austausch von unternehmensinternen Neuigkeiten genutzt, wie Fuchs einschränkt. Doch ganz auf E-Mails zu verzichten, steht bei PayPal nicht zur Debatte. Schließlich gibt es auch die eindeutigen Vorteile, etwas bei der Erreichbarkeit. „Durch mobile Geräte wie Smartphones und Tablets sind wir in der Lage, einfach und schnell auf E-Mails zu reagieren – auch dann, wenn man einmal nicht am Schreibtisch sitzt“, sagt Fuchs.
E-Mails richtig schreiben
- Achten Sie auf die Betreff-Zeile:
Nur mit einer konkreten Betreff-Zeile ist es dem Empfänger möglich, die E-Mail thematisch einzuordnen und sie richtig zu gewichten. Sie hilft auch dabei, diese für einen späteren Zeitpunkt auffindbar zu archivieren. - Schicken Sie nur eine E-Mail pro Thema:
Es ist sinnvoll für jedes Thema einer separate E-Mail zu schicken. Damit bewahren alle Kommunikationsteilnehmer den Überblick. Die elektronischen Nachrichten werden strukturierter und es wird klar, wie, wann und wo reagiert werden muss. - Beachten Sie den richtigen Ton:
Auch bei der E-Mail ist ein Mindestmaß an Höflichkeit sinnvoll. Verwenden Sie Grußformeln und bleiben Sie sachlich. Ironie funktioniert hier so gut wie nie. Verzichten Sie auf durchgängige Großschreibung. Dies wird als Schreien wahrgenommen.
Junge Mitarbeiter organisieren ihre Arbeit schon jetzt über soziale Netzwerke
Im Gegensatz dazu ist man bei Atos zuversichtlich, dass der Wandel hin zum Zero-E-Mail gelingen wird. Auch wenn er natürlich nicht ganz konsequent zu handhaben ist. Nach außen hin müssen die Mitarbeiter schließlich immer noch erreichbar bleiben. Und da ist die E-Mail nach wie vor das adäquate Mittel. Aber intern wird das Konzept schon gelebt. Das Unternehmen hofft dabei vor allem auf die neuen jungen Mitarbeiter aus den Hochschulen. „Sie organisieren ihr Leben und ihre Arbeit meist nur noch über soziale Netzwerke und nutzen keine E-Mails mehr“, gibt sich Alexandra Knupe zuversichtlich. Ihr schwebt ein klares Bild vor: Das vorhandene Wissen der Mitarbeiter wird besser vernetzt und gleichzeitig werden die riesigen Datenmengen, die zahlreiche Mitarbeiter beschäftigen, eingedämmt. „Es geht insgesamt um einen Kulturwandel, um eine neue Art intern zu arbeiten und um mehr Kooperation“, sagt Knupe.
Es ist unklar ob das Atos-Beispiel Schule machen wird. Doch wahrscheinlich werden sich die Rechtsabteilungen darauf einstellen müssen, in Zukunft mehr Kommunikationskanäle zu nutzen als bisher. Dann wird es die Aufgabe sein, jedes Mal wieder zu entscheiden, wann welches Medium gerade geeignet ist. Und wann der altmodische Griff zum Telefon doch die bessere Lösung ist.
Arbeiten mit Filtern
Schon mit einigen wenigen Handgriffen kann man seine E-Mail-Kommunikation optimieren. Eine wichtige Hilfe sind dabei Filter. Sie können bei allen gängigen E-Mail-Programmen von Outlook bis Thunderbird aktiviert werden.
- Über Filter werden E-Mails eines bestimmten Absenders oder mit einem bestimmten Inhalt oder einer bestimmten Betreffzeile direkt in einem eigenen Ordner abgelegt.
- Dies bietet sich für E-Mails an, die keiner aktuellen Reaktion bedürfen. Hierzu können etwa der interne Firmennewsletter gehören, Infoschreiben eines Verbandes oder – wenn man wirklich will – der CC-Verlauf zu einem bestimmten Thema.
- Bei Thunderbird können die Filter über den Menüpunkt „Extras“ und den Unterpunkt „Filter“ angelegt werden.
- Bei Outlook 2010 findet sich diese Funktion unter dem Begriff „Regeln“. Wählen Sie die Registerkarte „Datei“ aus. Klicken Sie auf die „Regeln und Benachrichtigungen verwalten“. Hier können Sie eine „Neue Regel“ anlegen.
Henning Zander